Mittwoch, 25. Juni 2008

Hedwig Dohm: Sibilla Dalmar (Roman)

Als der Roman Sibilla Dalmar 1896 erscheint, löst er in der großbürgerlichen Gesellschaft Münchens einen Skandal aus. „Ganz München erkannte sich wieder“, schreibt der Thomas Mann-Biograf Peter de Mendelssohn, „es gab einen rechten Skandal, der dem Lübecker Buddenbrooks-Ärgernis nicht viel nachgab.“
Die Identifizierung der Protagonistin Sibilla mit Hedwig Dohms ältester Tochter Hedwig Pringsheim-Dohm, der Mutter von Katia Mann, greift allerdings zu kurz und steht einer Lesart, die die künstlerische Qualität in den Mittelpunkt rückt, im Wege.
Hochintelligent, geprägt von den Ideen revolutionärer Vor-Denker, sind Sibilla Dalmar dennoch alle Türen zu sinnvoller Betätigung verschlossen. Nicht bereit, „Märtyrerin für eine Gesellschaft der Zukunft“ zu sein, wird sie mehr und mehr zur Misanthropin und scheitert schließlich an ihrem letzten Versuch, aus dem Salonleben in eine neue Existenz auszubrechen.

Sibilla Dalmar ist der erste Band der Edition Hedwig Dohm, der kommentierten Gesamtausgabe der Werke der Schriftstellerin und Publizistin, Theoretikerin, Essayistin und Radikalen der ersten Frauenbewegungen in Deutschland, Hedwig Dohm (1831-1919).
Ergänzt wird der Roman durch die zeitgenössischen Rezensionen und eine Einleitung der Herausgeberinnen.

Nikola Müller & Isabel Rohner (Hg.): Hedwig Dohm - Sibilla Dalmar (Roman). Berlin: Trafo Verlag 2006. ISBN 3-89626-560-1

Zitate aus dem Roman:
„Im Übrigen schiebe ich meine Impotenz der Gesellschaft gerade ebenso in die Schuhe, wie die Missetäter es mit ihren Verbrechen zu tun pflegen. Warum, ihr greulichen Männer, sperrt ihr uns von den Krippen der Wissenschaft ab? Ja, wäre ich mit allem Wissen des Jahrhunderts ausgerüstet, und hätte ich schönes, rotes Blut, und Nerven von Stahl und Muskeln von Eisen! Und weil mir das alles fehlt, darum bin ich nichts! nichts! nichts!“
„Täglich immer dasselbe tun, um dieselbe Stunde, an demselben Ort. Um neun Uhr aufstehen, ein Bad nehmen, mich anziehen, frühstücken, mit der Köchin das Menü besprechen, die Zeitung lesen, der Spaziergang u. s. w. Ich könnte darüber zur Selbstmörderin werden, dass ich mich jeden Morgen waschen muss.“

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