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Freitag, 12. März 2010

Neue Biografie über Hedwig Dohm erschienen



Im Ulrike Helmer Verlag ist in dieser Woche - pünktlich zum Internationalen Frauentag - eine neue Biografie über Hedwig Dohm erschienen:

Isabel Rohner: "Spuren ins Jetzt. Hedwig Dohm, eine Biografie."


Hier die Presseinfo des Verlags:
Hedwig Dohm (1831-1919) gehört zu den wichtigsten Autorinnen der Wende zum 20. Jahrhundert. Schon zu Lebzeiten galt sie als Pionierin für die modernen Frauenbewegungen in Deutschland. Bereits 1873 forderte sie das Stimmrecht für Frauen und kämpfte für die völlige rechtliche, soziale und ökonomische Gleichberechtigung der Geschlechter. Hedwig Dohms Leben allerdings blieb bislang fast gänzlich unerforscht. Zu groß war die Verlockung, ihre Lebensgeschichte aus ihren Romanen und Novellen abzuleiten. Auch fand Hedwig Dohms Verwandtschaft mit der Familie Mann (sie war die Großmutter von Katia Mann) nach ihrem Tod lange Zeit mehr Beachtung als ihr eigenes Leben und Wirken. Isabel Rohner rückt diese Schieflage nun zurecht und gibt in ihrer aufwändig recherchierten Biografie erstmals Einblicke in die Welt der Hedwig Dohm, ihre Kindheit und Jugend in Berlin, ihre Ehe mit dem Journalisten Ernst Dohm, ihre Arbeit als Autorin, ihre Freundschaften und Netzwerke.

Mehr Infos: http://helmer.txt9.de/cgi-bin/WebObjects/TXTSVHelmer.woa/54/wo/N2hxN1yM3qc3oXoGC5/0.0.15.1.5.3.0.1.3.0

Mittwoch, 5. August 2009

Hedwig Dohm in CHRISMON

Von Eduard Kopp

Ausschnitt:

"Hedwig Dohm, eine begabte Polemikerin und Schriftstellerin, geißelte den Ersten Weltkrieg als Gotteslästerung

Im Jahr 1917 gibt es nur noch wenige in Deutschland, die davon träumen, der Krieg werde bald und siegreich zu Ende gehen. Mehr als eine Million Soldaten wurden in den Schlachten an der Somme im Jahr zuvor getötet oder verletzt. Und nun: Proteste bis ins deutsche Parlament hinein, eine immer gierigere Kriegswirtschaft in Deutschland, Revolution in Russland, Meutereien in den französischen Streitkräften. Der deutsche Reichstag beschließt im Juli 1917 eine folgenlose Friedens­resolution. Eine Friedensnote des Papstes im August stößt auf Ablehnung.
Da druckt ein Verleger den Buchtext ­einer 86-jährigen Frau, die darin den Krieg ohne Wenn und Aber verurteilt. Das Besondere: Dieser Text war bereits zwei Jahre alt. Als er entstand, schwelgte ganz Deutschland noch in Kriegsbegeisterung. Doch Hedwig Dohm geißelt schon 1915 in ihrem Text "Der Missbrauch des Todes" den Krieg als Gotteslästerung."

Ganzer Artikel lesen: http://www.chrismon.de/3947.php

Mittwoch, 2. Juli 2008

Hedwig Dohm - neu lesen!

Der Ruf von Hedwig Dohm (1831-1919) als brillante Essayistin und Polemikerin ist bis heute ungetrübt. Als Romanautorin wird sie hingegen unterschätzt, was vor allem an der Voreingenommenheit ihrer LeserInnen liegt.

Von Isabel Rohner

Erstveröffentlichung in: An.schlaege, Wien, Ausgabe Oktober 2007.

Ihre politischen Essaybände machten Hedwig Dohm in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts auf einen Schlag bekannt. Kein Wunder: Bestechend klar forderte sie darin die völlige rechtliche, soziale und ökonomische Gleichberechtigung von Männer und Frauen. Damit löste sie nicht nur unter den „Herrenrechtlern“ einen Skandal aus: Auch den Akteurinnen der damaligen gemäßigten Frauenbewegung gingen ihre Forderungen nach Stimmrecht und finanzieller Unabhängigkeit der Frau zu weit.
Berühmt und überaus gefragt war Dohm später auch für ihre Zeitungsartikel, ihre Rezensionen und Polemiken. In unzähligen Feuilletons (erschienen in Tageszeitungen, genauso wie in politisch progressiven und feministischen Medien) zitiert sie die antifeministischen Aussprüche von angesehenen Zeitgenossen aus Philosophie, Medizin und Politik und führt sie ironisch und doch gnadenlos ad absurdum. So dekonstruiert sie unter anderem Friedrich Nietzsche, der „das Weib als Besitz, als verschließbares Eigentum, als etwas zur Dienstbarkeit Vorherbestimmtes“[1]sehen wollte, Georg Groddeck, der die These vertrat, dass Frauen keine Persönlichkeiten hätten,[2] oder Paul Julius Möbius, der mit dem Buch Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes einen Bestseller der Jahrhundertwende landete. So unpopulär das Genre der Polemik bei uns – im Unterschied zum englischsprachigen Raum – heute leider ist: Hedwig Dohm ist zweifellos die deutschsprachige Polemikerin des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts.

Wiederentdeckt

Doch Dohm hat nicht nur ein essayistisches Werk hinterlassen, sie war auch eine erfolgreiche Verfasserin von Novellen und Romanen und eine viel gespielte Theaterautorin. Während ihre Erzählprosa in den zeitgenössischen Kritiken der Jahrhundertwende jedoch durchaus positiv rezensiert wurde, fällt das Urteil im späteren 20. Jahrhundert mehr oder weniger vernichtend aus. Dohms Ruf als Romanautorin wird nachhaltig beschädigt. Woran liegt das?
Es ist natürlich durchaus möglich, dass ein Autor/eine Autorin ein Genre besonders gut beherrscht und ein anderes nicht. Doch scheint dies vor dem Hintergrund von Dohms Erfolg und ihrer offensichtlichen rhetorischen Vielseitigkeit keine ausreichende Antwort auf die Frage zu sein. Ein Blick auf die Umstände der negativen Bewertungen vermag da mehr:
In den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts entstand auch im deutschen Sprachraum eine Frauenforschung, die es sich zur Aufgabe machte, Frauen in der Geschichte, aber auch in der Literatur sichtbar zu machen. Ein Vorhaben, dem wir heute viel verdanken: Eine ganze Reihe von wichtigen, doch von der männlichen Geschichtsschreibung und Kanonbildung übergangenen Frauen wurde so „wiederentdeckt“, ihre Texte, Thesen und Arbeiten wurden (zum Teil) wieder zugänglich gemacht. Auch Hedwig Dohm gehörte zu diesen Wiederentdeckungen: Wer sich mit der Geschichte der Frauenbewegungen in Deutschland beschäftigt, stößt eher früher als später auf ihre überaus modernen Ansichten.

Politische Autorin

In erster Linie wurde Dohm also als politische Autorin gewürdigt, als mutige Kämpferin für Frauenrechte als Menschenrechte. Auch Dohms Prosa wurde in dieser Phase der Rezeption wieder gelesen, allerdings mit dem Vorsatz, darin ebenso radikale Ansichten zu finden. Doch die Forscherinnen wurden nicht fündig, jedenfalls nicht so, wie sie es erwartet hatten. Was sie suchten, waren Frauenfiguren, die auch den Frauen der Neuen Frauenbewegungen zum Vorbild werden konnten. Da bei Dohm solche Charaktere aber nicht zu finden waren, wurden die Texte als „enttäuschend“ abgestempelt und erhielten das Prädikat „literarisch mangelhaft“.
Gewiss, in ihren Essays fordert Dohm die rechtliche, soziale und ökonomische Gleichheit explizit, frech und direkt, während die Protagonistinnen ihrer Prosa weder aus ihrer Zeit ausbrechen, noch sich über ihre Männer oder über ihre Geschlechterrollen hinwegsetzen – nicht hinwegsetzen können. Dohm wollte in ihren Romanen keine „Super-Frauen“ zeigen, sie wollte vorführen, wie ihre Hauptdarstellerinnen an den Ketten, die ihnen ihre Zeit anlegt, zu Grunde gehen. Sie zeigt uns Verhinderte, zeigt uns seelische Krüppel, die intellektuell zwar begreifen, ihr Leben aber nicht ändern können (wie in Sibilla Dalmar). Sie zeigt sehnsüchtige, angepasste Naive (wie in Schicksale einer Seele und Christa Ruland), deren Naivität sich aber immer mehr als vorgespielt entpuppt, da sie längst schmerzlich erkennen, wie sehr sie unterdrückt sind. Und wir treffen auf Frauen, die zwar ausbrechen wollen, die aber feststellen müssen, dass selbst ihre Sprache und ihr Denken Produkte einer männlichen Gesellschaft sind (wie in Werde, die du bist).
Der Autorin wurde die Verhinderung ihrer Romanfiguren als literarisches Unvermögen ausgelegt. Die Konzeption ihrer Romane, die ironischen Strukturen, die essentielle Intertextualität der Werke, ihre differenzierte Sprache – all das wurde von den KritikerInnen im wahrsten Sinn des Wortes über-lesen und nicht gesehen: Ihre strikte Erwartungshaltung versperrte ihnen den Blick.

Autobiografisch gelesen


Was nun mit ihrer Prosa geschah, ist für den Umgang mit Literatur von Frauen typisch und lässt sich auf eine lange Tradition zurückverfolgen: Man begann, die Texte Dohms autobiografisch zu lesen, als Zugang zu ihrem Leben und Leiden. Diese Lesart wurde dabei auch von der Gestalt der Texte unterstützt: Meistens sind es Briefromane, bez. Briefnovellen, in denen sich die Protagonistinnen in Ich-Form „selber“ zu Wort melden und ihre (fiktiven) Biografien schreiben.
Besonders drastisch geschah dies mit dem Roman Schicksale einer Seele, der bisweilen noch heute als „realitätsgetreues Abbild“ des Lebens der Autorin gelesen wird. Die Folgen sind vielzählig, sowohl für Dohms Biografie, als in Hinblick auf das Bild, das fortan von ihr kursierte. Durch die Gleichsetzung der Autorin mit der Protagonistin, Marlene Bucher,[3] verschoben sich Dohms Lebensdaten um zwei Jahre. Statt des richtigen Geburtsjahres, 1831, galt nun das „Geburtsjahr“ der Romanfigur als das wirkliche. Da die Hauptfigur eine grässliche Ehe schildert, ging man ganz automatisch davon aus, dass auch Dohms Ehe furchtbar gewesen sein musste. Um das zu illustrieren, schreckten viele BiografInnen nicht davor zurück, ganze Passagen aus dem Roman zu zitieren. Und auch heute ist noch viel zu oft zu lesen, Dohm habe sich „aus Schüchternheit“ nicht der organisierten Frauenbewegung angeschlossen. Dohms Protagonistin ist ja schließlich sehr schüchtern…

Fatale Tradition

Das Problem solcher Lesarten ist nun weniger der Wunsch der RezipientInnen, Kindheitsanekdoten Dohms im Roman zu entdecken, sondern die fatale Tradition, in der das Prädikat „autobiografisch“ eine literarische Abwertung einleitet. Selbstverständlich werden auch in Dohms Prosa eigene Erlebnisse und Beobachtungen mit eingeflossen sein – bei welchem Autor oder welcher Autorin wäre das auch nicht der Fall? Während diese harmlose Erkenntnis bei männlichen Autoren jedoch eher als Ausdruck ihrer schöpferischen Fähigkeiten gilt, ihr Leben als Inspirationsquelle und Rohmaterial für die Literaturproduktion zu nutzen, sieht ein traditionelles Literaturverständnis in der weiblichen Autobiografin eine schlichte Abbildnerin der Realität. Abbilden ist nun nicht erfinden, ist kein kreativer, künstlerischer Prozess. Ein „Wert“ mag bestenfalls aus dem erzählten Inhalt resultieren.

Ausschluss aus dem Kanon

Die Akteurinnen der Frauenforschung wollten wichtige Frauen wieder sichtbar machen und ihnen so die Tür zu Geschichte und Kanon öffnen. Durch ihre voreingenommene Vorstellung davon, was sie in den Texten lesen wollten, bestätigten sie jedoch Dohms Ausschluss aus dem männlichen Kanon. Und sie wiederholten dadurch die Ausgrenzungsmechanismen der männlich orientierten Literaturgeschichtsschreibung, derer gerade sie sich bewusst sein wollten.
Ob sie auch Theodor Fontane vorgeworfen hätten, dass seine Effi Briest zugrunde geht und nicht Vorbild für die Frauen des 20. Jahrhunderts ist?

Isabel Rohner: In litteris veritas. Hedwig Dohm und die Problematik der fiktiven Biografie. Trafo Verlag Berlin 2008.


Weitere Infos über Hedwig Dohm: http://www.hedwigdohm.de/

[1] Friedrich Nietzsche: Jenseits von Gut von Böse, Aph. 238. Dohms Feuilleton Nietzsche und die Frauen ist wiederabgedruckt in Nikola Müller & Isabel Rohner (Hg.): Hedwig Dohm – Ausgewählte Texte. Berlin 2006, S. 124-136.
[2] Dohm rezensiert Groddecks Artikel Die Frau, erschienen am 10. 7. 1909 in Die Zukunft (S. 55-69). Ihr Feuilleton Die „Unpersönlichkeit“ der Frau (1909) ist wiederabgedruckt in Nikola Müller & Isabel Rohner (Hg.): Hedwig Dohm – Ausgewählte Texte. Berlin 2006, S. 230-235.
[3] Allein, dass die Hauptfigur einen anderen Namen als die Autorin trägt, würde nach dem Autobiografie-Forscher Philippe Lejeune schon ausreichen, in Schicksale einer Seele unter gar keinen Umständen eine „Autobiografie“ zu sehen. Vgl. Philippe Lejeune: Der autobiographische Pakt. In: Günter Niggl (Hg.): Die Autobiographie. Zu Form und Geschichte einer literarischen Gattung. Darmstadt 1998, S. 214-257, insbesondere S. 230ff.

Donnerstag, 26. Juni 2008

Hedwig Dohm - ein Porträt

Von Isabel Rohner

Bereits 1873 forderte Hedwig Dohm das Stimmrecht für Frauen und kämpfte für ihre Gleichberechtigung in Bildung, Beruf und Beziehung – und stieß dabei nicht nur auf die Gegenwehr eingefleischter Herrenrechtler.

Hedwig Dohm schrieb einmal, sie brauche nicht zu überlegen, was in der Frauenbewegung das Richtige sei. „Der, dem ein Dachziegel auf den Kopf fällt, weiß, dass das Dach schadhaft ist. Er braucht es nicht erst untersuchen zu lassen.“ Und so forderte sie bedingungslos gleiche Chancen für Frauen und Männer – in einer Zeit, in der Frauen weder politische noch ökonomische Rechte besaßen, in der ihnen der Zugang zu Ausbildung und Studium versperrt war und die Ehe als ihr eigentlicher Beruf galt. Die Voraussetzung für eine Gleichberechtigung sah sie im Stimmrecht. Wenn Frauen und Männer erst einmal vor dem Gesetz gleich wären, würde das alle anderen Rechte bedingen: eine Reform des Bildungssystems, die Öffnung sämtlicher Berufe für Frauen und damit ihre finanzielle Unabhängigkeit. Die Ehe wäre nicht mehr einzige Versorgungsgarantin.
Ihre Tätigkeit als Autorin begann sie, die spätere Großmutter von Katia Mann, in den 1860er Jahren mit der Publikation einiger Märchen und einer wissenschaftlichen Arbeit über die spanische Literaturgeschichte. Erstaunlich, denn Dohm hatte nur eine karge Mädchenausbildung durchlaufen: Ihre Schulzeit war mit 14 zu Ende, die Jahre bis zur Eheschließung verbrachte sie vor allem mit Hand- und Hausarbeit. Den einjährigen Besuch eines Lehrerinnenseminars trotzte sie ihren Eltern ab. Erst durch ihren Mann Ernst Dohm, Redakteur der Satirezeitschrift Kladderadatsch, kam sie in Kontakt mit der geistigen Elite der Berliner Gesellschaft: Ferdinand Lassalle und die Gräfin Hatzfeld verkehrten genauso bei ihnen wie Alexander von Humboldt, Franz Liszt oder Theodor Fontane.
In den 70er Jahren, als ihre vier Kinder schon fast aus dem Haus waren, publizierte sie ihre ersten politischen Schriften. Schon die erste machte sie mit einem Schlag bekannt. „Menschenrechte haben kein Geschlecht“, schrieb sie darin, und entlarvte antifeministische Thesen angesehener Zeitgenossen mit unverkennbarem Witz als unhaltbar: „Weil die Frauen Kinder gebären, darum sollen sie keine politischen Rechte haben. Ich behaupte: Weil die Männer keine Kinder gebären, darum sollen sie keine politischen Rechte haben und ich finde die eine Behauptung mindestens ebenso tiefsinnig wie die andere.“
Die Reaktionen auf diese mutigen und pointierten Texte blieben nicht aus: Mit Schmähbriefen und Spott seien sie und ihre Familie überschüttet worden, schreibt sie einige Jahre später – und dies nicht nur von Seiten der Herrenrechtler. Denn Sätze wie „Wenn nur eine einzige Frau das Stimmrecht fordert, so ist es eine Gewalttat, sie an der Ausübung ihrer bürgerlichen Pflicht zu hindern.“ oder auch „Mehr Stolz, ihr Frauen! Wie ist es nur möglich, dass ihr euch nicht aufbäumt gegen die Verachtung, die euch noch immer trifft.“, stießen auch in den gemäßigten Kreisen der bürgerlichen Frauenbewegung auf wenig Verständnis. Während Dohm die freie Entfaltung von Mädchen und Frauen in allen Bereichen wollte, konzentrierten sich die „Gemäßigten“ auf ein verbessertes Schulsystem, allerdings nur, um so bessere Ehefrauen und Mütter heranzuziehen. Für eine Ausbildung zur Berufstätigkeit, die den Frauen finanzielle Unabhängigkeit ermöglicht hätte, distanzierten sie sich damals noch deutlich. Für sie waren Dohms Thesen zu radikal, und Dohm sah in den gemäßigten Forderungen kein Veränderungspotential: „Die guten, deutschen Frauen placken sich damit ab, einige Verbesserungen an Mädchenschulen vorzuschlagen, kleine niedliche Fortbildungsanstalten zu errichten, die natürlich, da ihnen nur untergeordnete Lehrkräfte zu Gebote stehen, keine wesentliche Wirkung hervorbringen können.“
Doch noch heute ist in Biografien über Dohm zu lesen, sie habe sich der Frauenbewegung „aus Schüchternheit“ nicht angeschlossen. Eine absurde Behauptung vor dem Hintergrund der historischen Umstände – und der Radikalität und Mut ihrer Thesen.
Erst in den späten 80er Jahren, als der radikale Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung erstarkte, fand sie die Schwestern im Geiste: Sie wurde Mitglied des Gründungskomitees von Hedwig Kettlers Frauenverein Reform, trat Minna Cauers radikalem Verein Frauenwohl bei und unterstützte die Gründungsversammlung von Helene Stöckers Bund für Mutterschutz, der eine radikale Reform von Ehe und Ethik zum Ziel hatte.
Und auch publizistisch reagierte Dohm auf diese neue Entwicklung: Zwanzig Jahre nach der Erstveröffentlichung legte sie ihre politischen Essays neu auf, und auch im journalistischen Bereich, als Literatur- und Gesellschaftskritikerin, nahmen ihre Publikationen schlagartig zu: Insgesamt veröffentlichte sie über achtzig Artikel, überwiegend in neu gegründeten, politisch progressiven oder feministisch radikalen Zeitschriften.
Doch Dohm war nicht nur eine begnadete Essayistin: Neben ihrem umfassenden politischen Werk hinterließ die Autorin mehrere Romane, Novellen und Theaterstücke. Auch in ihrer Erzählprosa thematisiert sie die Benachteiligung der Frauen in der Gesellschaft der Jahrhundertwende und stellt die Allgemeingültigkeit einer gesellschaftlichen Ordnung in Frage, die Frauen kaum Entwicklungsmöglichkeiten lässt: kraftvolle und expressive Arbeiten der Moderne.
Die Einführung des Stimmrechts für Frauen in Deutschland 1918 erlebte Dohm noch, doch sie soll sie mit den Worten „Zu spät, zu spät“ kommentiert haben. Sie starb ein Jahr darauf.
Hedwig Dohm kämpfte ihr Leben lang gegen festgefahrene Meinungen, die Frauen mit Berufung auf die so genannte „weibliche Natur“ an ihrer Entwicklung hindern wollten. „Was ist denn das: ein wahres Weib?“ fragt sie in einem ihrer Feuilletons. „Muss ich, um ein wahres Weib zu sein, bügeln, nähen, kochen und kleine Kinder waschen?“