Donnerstag, 26. Juni 2008

Wir gratulieren. Und jubilieren? Femmage an die Frauenbewegerin Hedwig Dohm.

Rezension von Petra Öllinger in: An.schläge, das feministische Magazin, Wien, Ausg. Nov. 2006, S. 39.

Nikola Müller und Isabel Rohner rufen die feministische Literatin mit einer Reihe ausgesuchter Texte in viele Gedächtnisse (zurück) - auch in jenes von Petra Öllinger.

Jubiläum - ein Begriff, der Skepsis ob der Folgeerscheinungen auslösen sollte. Zu mal, wenn festliches Erinnern beispielsweise an Schriftstellerinnen mit Biographien, Werksaugaben und diversen Neuauflagen einhergeht, bei denen frau das Gefühl hat, Wortbrocken von entweder prominenten, gut verkäuflichen Jubilarinnen vor die Augen geworfen zu bekommen. Oder von Expertinnen, deren Textspenden oft oberflächlich bleiben. Manche Jubiläumsfrauen werden überhaupt - fast möchte frau behaupten - vergessen. Zwei der potentiellen Gründe: Das Gedenkjahr ist irgendwie unrund und/oder die zu Feiernde war gedanklich nicht anschmiegsam und äußerte so unpopuläre Aussagen wie "Weil die Frauen Kinder gebären, darum sollen sie keine politischen Rechte haben. Ich behaupte: weil die Männer keine Frauen gebären,darum sollen sie keine politischen Rechte haben, und ich finde die eine Behauptung mindestens so tiefsinnig wie die andere." Hedwig Dohm,1876, "Das Stimmrecht der Frau".Ein „unrunder" Geburtstag (der 175.), so radikal und so brillant. Trotzdem und deswegen - zwei machten sich auf, Hedwig Dohms umfangreiches Werk, das bis dato lediglich in „Häppchen", wenn überhaupt, vorgelegen ist, in möglichst zusammenhängender Form herauszugeben. Nikola Müller und Isabel Rohner haben im Berliner trafo Verlag die Edition Hedwig Dohm ins Leben gerufen und sich selbst in ein hohes Maß an Recherchearbeit gestürzt, deren Resultate keinesfalls die eingangs erwähnten Skeptizismen nähren.Startschuss bildet die vorliegende Ausgabe ausgewählter Texte, die einen Querschnitt des vielfältigen literarischen Schaffens der Frauenbewegerin Hedwig Dohm zeigen. Im vorliegenden Band findet sich eine Fülle von Essays, Feuilletons, Briefen, Aphorismen und belletristischer Texten ( z. B. "Werde, die du bist", ein atmosphärisch dichter Text über den späten Emanzipationsversuch einer Frau, der auch den Verlauf einer depressiven Verstimmung eindrucksvoll nachzeichnet.).Schon beim Überfliegen des Inhaltsverzeichnisses fällt auf, dass Hedwig Dohms Arbeiten an Aktualität nichts eingebüßt haben: "Sind Berufstätigkeit und Mutterpflichten vereinbar?", 1900 (köstliche Seitenhiebe auf die einzementierte Meinung, dass beides eben nicht vereinbar ist), "Die neue Mutter", 1900, oder "Zur sexuellen Moral der Frau", 1911. Deutlich wird in ihren Arbeiten: Frauenrechtlerin ist nicht gleich Frauenrechtlerin. In "Reaktion in der Frauenbewegung" hebelt Hedwig Dohm auf scharfzüngige Weise die manchmal fast kurios anmutenden Argumente von Ellen Keys, Lou Andreas-Salome und Laura Maholm bezüglich der Frage, welche Rolle der Frau zukommt, aus. Sie überführt die drei der Widersprüchlichkeiten innerhalb ihrer eigenen Argumentation und kritisiert, dass sie alle Frauen über einen Kamm scheren,ohne die individuellen Lebens-umstände zu berücksichtigen. Hedwig Dohms Stärke liegt darin, dass sie die Frauen, "da abholt, wo sie stehen" und keine Wertigkeiten an deren Herkunft, Bildung und Tun koppelt.Ein Blick auf ihre eigene Lebensgeschichte - einen kurzen und sehr guten Überblick bieten die beiden Herausgeberinnen im ersten Kapitel - zeigt: Hedwig Dohm selbst war der bürgerlichen Frauenbewegung zu radikal. Mit der Erstarkung des radikalen Flügels innerhalb dieser Bewegung findet Hedwig Dohm jedoch Unterstützerinnen ihrer Ansichten. Sie tritt den Gründungskomitees verschiedener Frauenvereine bei bzw. bekleidet das Amt der Beisitzerin.Wenn sie im oben erwähnten Kapitel formuliert: "Auch Frau Lou hat das Beste, was über Frauen gedacht worden ist, von Männern gehört.", ist das nur ein Beispiel für ihren Witz, ihre Scharfsichtigkeit, ihren Spott, ihre Frische sowie ihren sprachlichen und gedanklichen Esprit. Fähigkeiten und eine mutige Haltung, die frau heute in vielen Aussagen vermisst.Hedwig Dohms leidenschaftliche Gedanken und vor allem Forderungen sind aktueller denn je. Folglich keimt die Frage auf: Gibt's in dieser Hinsicht ei­gentlich einen Grund zu jubilieren?

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